Zahn- und allgemeinmedizinischer Einsatz im Himalaya

nach Dr. Pfütz, Am Kurpark 8, 35619 Braunfels, www.dr-pfuetz.de,

Artikel gekürzt

 

Oktober 2022

 

Sunita Schmidt, zahnmedizinische Fachangestellte und gebürtige Nepalesin und ich, Ivo Pfütz; Zahnarzt in Braunfels unternahmen wir zusammen mit mehreren medizinischen Kollegen unter der Fahne der Hilfsorganisationen „BREPAL e.V“ und „DESOCA e.V.“ einen Hilfseinsatz im über 8600 km entfernten Phillim in Nepal. Schon ein halbes Jahr zuvor begann eine logistische Meisterleistung dieser beiden Organisationen. Insgesamt 850kg medizinische Materialien und Gerätschaften mussten ins Himalaya-Gebirge auf dem Rücken von Maultieren und Trägern über schmale Wege transportiert werden. Das Einsatzteam bestand aus zwei Internisten, einer Kinderärztin, einer Gynäkologin, einer Physiotherapeutin, einem nepalesischen Augenarzt und unserem zahnmedizinischen Team. Zusätzlich begleitete uns eine weitere, schon seit langem in Deutschland lebende, nepalesische Krankenschwester, die dem ärztlichen Team bei der Diagnostik auf Grund ihrer Sprachkenntnisse von unschätzbarem Wert war. In Nepal konnten wir uns auf die nepalesische Hilfsorganisation „Nepal Help“ stützen, die die Logistik vor Ort regelte. Begleitet wurde unser medizinisches Team von der Organisation „Menschen im Dialog e.V.“, die sich für die schulische computergestützte Weiterbildung und Patenschaften für Kinder verantwortlich sieht.

 

 

Zunächst reiste unser Team mit Geländewagen, soweit es die Zufahrtswege zuließen, in den Himalaya hinein. Auch in Nepal ist der Klimawandel deutlich zu spüren, so dauerte der von Starkregen geprägte Monsun dieses Jahr länger als üblich. Dies hatte zur Folge, dass die Berghänge durch Unterspülung mehrfach ins Tal abrutschten und somit die Bergdörfer teilweise von der Außenwelt abgeschnitten waren. Durch diese Regenfälle führten die vom Berg herabströmenden Wasserfälle wesentlich mehr Wasser als die Jahre zuvor, sodass das Fortkommen mit den Geländewagen früher als geplant beendet werden musste. Somit schulterten wir unsere Rucksäcke (10-20kg/Person), um unseren Weg zum Einsatzort über schmale und teils von Geröll verschüttete Trampelpfade zu Fuß fortzusetzen. Aber gerade diese Trekkingherausforderung schweißte das gesamte Team eng zusammen. Glücklicherweise kamen wir alle unbeschadet samt Gepäck, das überwiegend von Maultieren getragen wurde, nach einem mehrtägigen Trek in unserem Einsatzort Philim an. Dort errichteten wir in einer Schule unser Health-Camp. Tische und Stühle wurden aus den Klassenzimmern geräumt und die Böden geputzt. Die Klassenzimmer wurden je nach medizinischem Fachbereich zu Praxisräumen umgebaut. So funktionierten die Internisten und die Frauenärztin Schultische zu Behandlungsliegen um und installierten ihre jeweiligen Ultraschall-Untersuchungsgeräte. Das Augenarztteam baute das eigens hierfür hertransportierte Mikroskop auf. Auch die Kinderärztin und die Physiotherapeutin bereiteten sich im Schulzimmer auf die Behandlungen vor. Ein Klassenraum wurde eigens für eine Apotheke für unzählige Antibiotika, Schmerzmittel und sonstige Medikamente hergerichtet. Und auch wir, das zahnärztliche Team, unterstützt durch eine zusätzliche nepalesische Krankenschwester, bauten unsere transportable Behandlungseinheit, bestehend aus einem Behandlungsstuhl, einer „Bohrmaschine“, einer Absauganlage und einer OP-Leuchte auf. Schultische dienten zur Ablage von Füllungsmaterialien und chirurgischen Instrumenten. Der mitgebrachte Sterilisator, zum Reinigen der Operationsgeräte, wurde aufgestellt. Der Schulhof wurde zur Open Air-Rezeption und zum Wartezimmer umdefiniert. Auch hier sorgte eine junge deutsche Krankenschwester in unserem Team mit enormen medizinischen Fachverständnis und Einfühlvermögen für die Zuordnung der Patienten je nach deren Beschwerden zu den jeweiligen medizinischen Fachärzten. So bildete sich vor der Open Air-Rezeption über mehrere Tage hinweg schon früh morgens eine lange Patientenschlange. Die Patienten nahmen teilweise einen mehrtägigen Fußmarsch auf sich, um zu unserem Health Camp zu gelangen. Ich möchte an dieser Stelle nicht die einzelnen hervorragenden Leistungen der verschiedenen medizinischen Fachrichtungen aufzählen, wohl aber möchte ich das Augenteam hervorheben, da es durch die Behandlung des Grauen Stars (Katarakt-OP) mehreren erblindeten Menschen das Augenlicht wiedergab. So konnten zwei Patienten, die erblindet und taub waren, nach der OP wieder sehen. So konnten wir kostenfrei 1443 Patienten behandeln, 2000 medizinische Untersuchungen durchführen, 504 Augenoperationen, 68 Lesebrillen verteilen, 233 Zähne ziehen...

 

 

 

Nach Beendigung des Health Camps in dem Örtchen Philim ging es wieder den gleichen Weg zurück, nur dieses Mal kannten wir viele Bewohner in den Bergdörfern, weil wir sie zuvor behandelt hatten. So wurde uns vielerorts zum Dank ein Tee, eine Banane, ein Flasche Wasser gereicht oder sogar eine Übernachtung in einer Lodge unentgeltlich gewährt, da wir dem Inhaber des kleinen Trekkinghotels seine Zahnschmerzen genommen und seiner Familie bei den allgemeinmedizinischen Beschwerden sehr geholfen hatten. Damit wurden wir auf unserem Rückweg nicht nur von einer grandiosen Natur und Landschaft, sondern auch durch viele nette Gesten und Begegnungen mit der Bevölkerung beschenkt

 

Als wir dann wieder in unsere Geländewagen stiegen, ging es weiter zu unserem nächsten Health Camp-Projekt im Süden von Nepal im Chitwan. Nahe dem von Touristen vielbesuchten Chitwan-Nationalparks lebt im Mahabharata-Gebirge der Volksstamm der Chepang, ehemalige Waldnomaden, jetzt sesshaft, zurückgezogen und sehr arm. Die Hilfsorganisation „BREPAL e.V.“  überlegt hier zur Versorgung der Chepang einen neuen Health-Post zu bauen. Also fuhren wir über abenteuerliche Wege zu potentiellen Standorten und führten mit den lokalen Behörden Gespräche für eine zukünftige Zusammenarbeit. Auf dem Weg dorthin besuchten wir ein Internat, das kurz zuvor von einer weiteren Hilfsorganisation, in Kooperation mit „DESOCA e.V.“ und „BREPAL e.V.“ mit neuen Sanitärräumen ausgestattet worden war, welche nun eingeweiht werden sollten. Hier wurden wir mit den traditionellen Blumengirlanden, Gesängen und Tänzen der Schulkinder begrüßt. Wieder einmal wurden wir mit vielen guten Wünschen und Emotionen beschenkt.

 

Nach unserem dreiwöchigen Einsatz ging es wieder zurück nach Deutschland. Und wie immer auf meinen bisherigen humanitären Auslandseinsätzen war das materielle Gepäck in unseren Rucksäcken zu Beginn der Reise sehr groß, die gesammelten Eindrücke und Erfahrungen auf dem Rückweg jedoch umso größer. Abschließend möchte ich mich bei meiner Familie und meinem Praxisteam bedanken, die mir wie immer den Rücken für solche Auslandseinsätze freigehalten haben. Danken möchte ich zudem auch den vielen Menschen und Firmen, die mit guten Wünschen und Spenden solche Einsätze erst ermöglichen.

Danjebad auch an die uns unterstützende Firmen!